Wieso gibt es zwei Flutberge, obwohl es nur einen Mond gibt?
Der Mond ist für beide Flutberge auf der Erde verantwortlich. Derjenige auf der Mond-zugewandten
Seite entsteht durch Gravitation, der auf der Mond-abgewandten Seite durch Zentrifugalkraft.
Normalerweise spricht man davon, daß der Mond um die Erde kreist. Das ist so nicht ganz richtig, denn genauso
wie die Erde den Mond anzieht, so wirkt auch der Mond mit seiner Gravitation auf die Erde.
Daher drehen sich beide Körper um den gemeinsamen Schwerpunkt des Systems Erde-Mond. Weil die Erde rund
80-mal so schwer wie der Mond ist, liegt der Schwerpunkt noch innerhalb der Erde, etwa 1700 Kilometer unterhalb der Oberfläche
(der Radius der Erde beträgt etwa 6370 Kilometer). Um diesen Punkt drehen sich beide Körper etwa einmal im Monat.
Neben der anziehend wirkenden Gravitationskraft, die durch die Massen der
beiden Körper entsteht, wirkt in diesem System noch eine weitere Kraft:
die nach außen gerichtete Zentrifugalkraft, die wegen
der Kreisbewegung der beiden Körper auftritt. Beide Kräfte gleichen sich gegenseitig aus.
Genau betrachtet gleichen sie sich allerdings nur im jeweiligen Schwerpunkt der Körper aus, wobei der
Schwerpunkt in etwa dem Mittelpunkt entspricht. Für die Kreisbewegungen ist das auch völlig ausreichend.
Lokal in den Körpern aber überwiegt die eine oder die andere Kraft,
je nach der Richtung, in der man sich vom Schwerpunkt entfernt.
Das liegt daran, daß bei der Berechnung von Gravitationskraft und
Zentrifugalkraft unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen.
Bei der Erde überwiegt auf der Seite, die dem Mond zugewandt ist, die Gravitationskraft.
Dadurch wird dort ein Flutberg in Richtung Mond von der Gravitationskraft "hochgezogen" (siehe Grafik).
Auf der gegenüberliegenden, Mond-abgewandten Seite überwiegt dagegen die Zentrifugalkraft.
Dort entsteht ein Flutberg, weil das Wasser sozusagen von der Erde "weggeschleudert" wird.
Auf diese Weise entstehen die zwei Flutberge, obwohl es nur einen Mond gibt. Ohne den Mond gäbe es keine Flutberge und
keine Gezeiten.
Zusatzinfos zu den Gezeiten:
Auch die Sonne wirkt mit ihrer Schwerkraft auf die Erde, was ja der Grund dafür ist, daß die Erde um die Sonne kreist (*).
Der Einfluß der Sonne auf die Gezeiten ist aber nur halb so groß
wie der des Mondes. Bei Vollmond oder Neumond, wenn Sonne, Erde und Mond auf einer Linie liegen, verstärken sich die
Einflüsse von Sonne und Mond und man bekommt eine Springflut. Liegt dagegen eine der beiden Halbmondpositionen
zwischen Voll- und Neumond vor, dann herrscht die abgeschwächte Nippflut.
Die effektiv auf die Erde wirkende Kraft nennt man auch Gezeitenkraft. Durch die Gezeitenkraft wird vor allem das
Wasser beeinflußt, weil es als Flüssigkeit frei bewegbar ist. Hier spielt die Umgebung des Meeres eine
große Rolle: mitten im Meer ist der Effekt relativ gering, in Küstennähe kann der Tidenhub bis
zu 15 Meter betragen.
Aber auch die Erdkruste wird bewegt, sie hebt sich um bis zu 30 Zentimeter an.
Durch die Reibung, die die Erde aufgrund der Gezeiten erfährt, wird sie in ihrer Umdrehung um sich selbst
ganz langsam abgebremst. Die Tageslänge erhöht sich dadurch um 0,0016 Sekunden pro Jahrhundert. Da der Drehimpuls im
System Erde-Mond erhalten bleiben muß, führt das dazu,
daß sich der Mond Jahr für Jahr um etwa 4 Zentimeter von der Erde entfernt.
Zur Zeit beträgt die Entfernung im Mittel 385.000 Kilometer.
F A K T E N Z U M S Y S T E M E R D E - M O N D |
- (*) Genau genommen umkreisen auch Sonne und Erde ihren gemeinsamen Schwerpunkt.
Da die Sonne aber 333.000 mal so schwer wie die Erde ist, weicht dieser gemeinsame Schwerpunkt
nur minimal von dem Schwerpunkt der Sonne ab.
- Wie oben beschrieben, erhöht sich durch die Gezeitenreibung die Tageslänge auf
der Erde um 0,0016 Sekunden pro Jahrhundert. Unter Annahme einer im wesentlichen konstanten
Jahreslänge (die Jahreslänge hängt nur von der Umdrehung der Erde um die Sonne ab)
fielen z.B. vor 370 Millionen Jahren auf ein Jahr noch rund 400 Tage.
Die Tageslänge betrug damals nur etwa 22 Stunden.
- Die Gezeitenreibung wird die Erdrotation auch in Zukunft weiter abbremsen, bis sich die
Rotationsperiode der Erde um sich selbst der des Mondes um die Erde angeglichen haben wird.
Denn dann werden die beiden Flutberge immer an derselben Stelle der Erde stehen
und es wird keine Gezeitenreibung mehr auftreten.
- Obige Aussagen über die Gezeiten werden, wie so oft in der Astronomie, sehr kompliziert, wenn man
ganz exakt sein will. Gründe dafür sind unter anderem:
- Alle astronomischen Körper, die andere umkreisen, befinden sich dabei nicht auf
Kreisbahnen, sondern auf elliptischen Bahnen - daher schwankt über das Jahr hinweg der
Abstand Erde-Mond, ebenso wie der Abstand Erde-Sonne.
- Die Rotationsachse der Erde wird durch die Sonne und den Mond ständig verändert
(Stichworte: Präzession, Nutation).
- Die Erde ist keine perfekte Kugel, der Radius nimmt zum Äquator hin zu.
© 2004-2007 www.PhysikX.de | Diplom-Physiker Thomas Lehmann |
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Zuletzt aktualisiert am: 19.08.2007 | DHTML Menu by
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